Getting your Trinity Audio player ready...
|
Das neue Cannabisgesetz: Herausforderungen und Auswirkungen auf die deutsche Justiz
Seit dem 1. April 2024 ist das neue Cannabisgesetz (CanG) in Kraft getreten. Während die Entkriminalisierung von Cannabis für Konsumenten eine Erleichterung darstellt, bringt das Gesetz für die deutsche Justiz erhebliche Herausforderungen.
Hier wird untersucht, wie sich das neue Gesetz auf die Arbeit der Staatsanwaltschaften, Gerichte und Justizvollzugsanstalten in Deutschland auswirkt und welche Perspektiven sich langfristig abzeichnen.

Die Amnestie-Regelung: Eine gewaltige Aufgabe für die Justiz
Mit Inkrafttreten des CanG begann eine intensive Überprüfung von laufenden und abgeschlossenen Verfahren. Durch die neue Amnestie-Regelung in Artikel 313 EGStGB müssen Urteile revidiert werden, wenn die ursprünglich strafbare Tat nach neuem Recht legalisiert wurde. Dies führte zu einem massiven Arbeitsaufwand: Bundesweit mussten etwa 270.000 Akten durchgesehen werden, und in Bundesländern wie Baden-Württemberg und Bayern bedeutete dies eine erhebliche personelle Belastung.
– Beispiel Bayern: Hier mussten rund 41.500 Akten manuell geprüft werden, wobei jeder Vorgang zwischen 15 und 60 Minuten dauerte.
– Folgen: Diese umfangreiche Prüfung überlastet Staatsanwaltschaften und Gerichte, die sich nun mit der Aufarbeitung von Altlasten statt neuen Fällen beschäftigen müssen.
Auswirkungen auf die Haftanstalten
Die Überprüfung der Akten führte in zahlreichen Fällen zu vorzeitigen Haftentlassungen. In Bayern wurden bis Juni 2024 insgesamt 33 Gefangene freigelassen, und ähnliche Fälle wurden auch in Berlin und anderen Bundesländern verzeichnet.
– Fallbeispiele: Während in Berlin nur eine einzelne Person aus der Haft entlassen werden musste, erhielten dort 158 Verurteilte Straferlass.
– Belastung für die Justizvollzugsanstalten: Durch die Entlassungen müssen Justizvollzugsanstalten Verwaltungsaufgaben beschleunigen und neu koordinieren, was teilweise zusätzliche personelle Ressourcen erfordert.
Kritik und Herausforderungen
Die Umsetzung des CanG stößt auf Kritik. Einige Bundesländer kritisieren die Komplexität des Gesetzes und befürchten, dass anstatt der beabsichtigten Entlastung neue Rechtsfragen aufgeworfen werden.
– Kritikpunkte: Bayerns Justizminister sieht Probleme durch die umfangreichen Freimengenregelungen, da dadurch der Drogenhandel indirekt begünstigt werden könnte.
– Stimmen aus Berlin: Die Berliner Justizsenatorin äußerte sich scharf und erklärte, das Gesetz sei „auf ganzer Linie gescheitert“, da die erwartete Entlastung der Justiz nicht eintrat.
Langfristige Auswirkungen noch unklar
Viele Bundesländer sind unsicher, wie das Gesetz langfristig wirken wird. Rheinland-Pfalz zum Beispiel geht davon aus, dass nur geringe Entlastungen zu erwarten sind, da bestimmte Verhaltensweisen weiterhin strafbar bleiben. Auch wenn die Strafverfolgung nicht völlig entfällt, bedarf es einer klaren Abgrenzung, welche Fälle künftig noch geahndet werden und welche nicht.
– Prognose: Die Justiz muss sich weiterhin mit cannabisbezogenen Ordnungswidrigkeiten auseinandersetzen, was neue Verfahren bedeutet und die Ressourcen bindet.
Neue Herausforderungen für die Strafverfolgung
Die Einschränkung von Ermittlungsinstrumenten stellt eine zusätzliche Hürde dar. Bei cannabisbezogenen Straftaten ist der Einsatz wichtiger Mittel wie Telefonüberwachung oder Onlinedurchsuchung nicht mehr so umfassend möglich wie zuvor.
– Einschränkungen der Strafprozessordnung (StPO): Besonders bei schweren Delikten, die mit organisiertem Drogenhandel in Zusammenhang stehen, fehlt nun der Zugang zu früheren Überwachungsmaßnahmen.
– Bedenken der Justiz: Diese neuen Bedingungen erschweren die Arbeit der Strafverfolgung, insbesondere im Bereich der organisierten Kriminalität.
Ausblick: Weitere Anpassungen erforderlich?
Die Justizminister der Länder wollen auf ihrer Herbstkonferenz am 28. November 2024 darüber diskutieren, ob das Gesetz nachgebessert werden muss. Dabei soll geprüft werden, wie die bisherigen Ermittlungsinstrumente in schwerwiegenden Fällen wieder effektiver nutzbar gemacht werden können.
– Diskussionsthemen: Ein Schwerpunkt wird darauf liegen, wie Strafverfolgungsbehörden wieder Zugang zu Überwachungsmöglichkeiten erhalten, um gegen die organisierte Kriminalität im Drogenhandel effektiver vorzugehen.
Fazit
Das neue Cannabisgesetz bietet für Konsumenten rechtliche Entlastung, stellt die Justiz jedoch vor erhebliche Herausforderungen. Der enorme Arbeitsaufwand durch die Überprüfung von Akten, die Entlassungen aus Haftanstalten und die eingeschränkten Ermittlungswerkzeuge machen deutlich, dass die Justiz sich an die neue Gesetzeslage erst anpassen muss. In den kommenden Monaten und Jahren wird sich zeigen, ob und wie das Gesetz nachgebessert werden muss, um die Balance zwischen Entlastung der Justiz und effektiver Strafverfolgung zu gewährleisten.
Quellen:
– LTO-Umfrage in den 16 Justizressorts der Länder, Oktober 2024

eMail: m.fischer@deutsches-hanfblatt.de
Deine Meinung zählt!
Hast du einen Fehler entdeckt oder möchtest du uns Feedback geben?
Wir freuen uns jederzeit über deine Rückmeldung – ob per E-Mail oder telefonisch.
Deine Hinweise helfen uns, unseren Service stetig zu verbessern.