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Cannabis-Clubs: Der Weg zu sicherem Konsum und kontrolliertem Anbau
In Sachsen-Anhalt hat die Cannabis-Legalisierung konkrete Formen angenommen. Sechs Anbauvereinigungen, darunter die Phytofreunde in Dessau, haben bereits die Genehmigung erhalten, Cannabis für ihre Mitglieder anzubauen. Diese Entwicklung markiert einen wichtigen Schritt in der Umsetzung des Konsum-Cannabis-Gesetzes, das seit dem 1. Juli 2024 in Kraft ist. Die Legalisierung bringt sowohl Chancen als auch Herausforderungen mit sich, die wir in diesem Artikel genauer beleuchten werden.
Die Phytofreunde Dessau: Vorreiter in der Region
Oliver Bernstein, einer der Gründer der Phytofreunde Dessau, sieht in den Cannabis-Clubs die einzige Möglichkeit, den Zugang zu sicherem Cannabis zu gewährleisten. In einer 200 Quadratmeter großen Halle bereitet der Club alles für den Anbau vor. Pflanztische stehen bereit, und die Samen warten darauf, in die Erde zu kommen.
„Wenn nicht wir so einen Club gründen, dann macht es keiner in Dessau-Roßlau„, erklärt Bernstein. Diese Entschlossenheit spiegelt den Pioniergeist wider, der nötig ist, um ein solch innovatives Projekt in die Tat umzusetzen.
Geplanter Anbau und Abgabe:
– Start mit 20 Quadratmetern Anbaufläche
– Spätere Erweiterung auf 40-50 Quadratmeter
– Erste Cannabisblüten voraussichtlich Ende Februar/Anfang März 2025 verfügbar
Die Phytofreunde planen, ihre Anbaufläche schrittweise zu erweitern, um die Nachfrage ihrer Mitglieder optimal zu decken. Bernstein betont: „Wir wollen das Interesse von unseren Mitgliedern ziemlich genau deckeln können. Wir haben nicht vor, einen großen Ãœberschuss zu produzieren und hier eine riesige Lagerhaltung zu errichten.“
Der Weg zur Genehmigung
Der Weg zur offiziellen Genehmigung war nicht einfach. Insgesamt wurden seit April 15 Anträge in Sachsen-Anhalt eingereicht, von denen bisher sechs genehmigt wurden. Die Komplexität der Anträge und die Dauer der Bearbeitung standen in der Kritik. Bernstein sieht dies jedoch gelassen: „Das ist ein Gesetz, das langsam in Kraft tritt. Ich denke, dass das immer einen gewissen Kontakt mit den Behörden erfordert, um entsprechende Lösungen zu finden.“
Die Kommunikation zwischen dem Verein und dem Landesamt für Verbraucherschutz verlief laut Bernstein stets auf Augenhöhe. Dies zeigt, dass trotz der Neuartigkeit des Vorhabens eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen Behörden und Antragstellern möglich ist.
Strenge Regulierung und Prävention
Die Cannabis-Clubs unterliegen strengen Auflagen und Kontrollen. Das Landesamt für Verbraucherschutz ist für die Ãœberwachung zuständig, unterstützt durch die Polizei. Die Gewerkschaft der Polizei Sachsen-Anhalt betont: „Die Cannabis-Clubs in Sachsen-Anhalt werden voraussichtlich zu den am strengsten kontrollierten Vereinen Deutschlands gehören. Sie müssen sich auf einen erheblichen Kontrolldruck und umfangreiche bürokratische Anforderungen einstellen.“
Wichtige Aspekte der Regulierung:
– Präventionsbeauftragte in jedem Club
– Aufklärung über Risiken bei jeder Abgabe
– Anonyme Beratungsmöglichkeiten für Mitglieder
– Mitgliedschaft erst ab 21 Jahren
Bernstein erklärt das Präventionskonzept der Phytofreunde: „Wir lösen das so, dass wir Infomaterial benutzen, von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Die stellen da super Material zur Verfügung, das wir quasi wie eine Art Beipackzettel mit jeder Abgabe von Cannabis an unsere Mitglieder rausgeben.“
Zusätzlich bietet der Club einen anonymen Kanal, über den sich Mitglieder mit dem Präventionsbeauftragten in Verbindung setzen können, um ihren Konsum zu reflektieren. Bei Bedarf kann auch ein Kontakt zu Suchtberatungsstellen vermittelt werden.
Jugendschutz und öffentliche Sicherheit
Der Jugendschutz spielt eine zentrale Rolle im Konzept der Cannabis-Clubs. Neben der Altersgrenze von 21 Jahren für die Mitgliedschaft gelten strenge Regeln für den Konsum in der Öffentlichkeit. Das Kiffen vor Schulen, Kitas, Spielplätzen und in deren Umkreis sowie zu bestimmten Uhrzeiten in Fußgängerzonen ist verboten.
Bernstein ist überzeugt: „Wenn sich alle an die darin enthaltenen Regeln halten würden, würde kein Jugendlicher mit Cannabis in Kontakt kommen.“ Diese Einschätzung zeigt das Vertrauen in die Wirksamkeit der gesetzlichen Regelungen, setzt aber auch eine hohe Eigenverantwortung der Konsumenten voraus.
Herausforderungen für Behörden und Polizei
Die Gewerkschaft der Polizei Sachsen-Anhalt weist auf einen erhöhten Arbeitsaufwand durch die Teillegalisierung hin. Besonders im Bereich der Verkehrskontrollen fehlt es an geeigneten Testgeräten für den Cannabis-Nachweis.
Kritikpunkte:
– Fehlende Anpassungen in relevanten GesetzenÂ
– Unklare Vorgaben für Kontrollen
– Bedarf an moderner Ausstattung für Drogenkontrollen im Straßenverkehr
Die Gewerkschaft fordert „spürbare Investitionen und unverzügliche Beschaffung modernster Ausstattung“, insbesondere für Kontrollen im Straßenverkehr. Aktuell ist eine Blutprobe für den gerichtsfesten Nachweis von Drogenkonsum unumgänglich, was die Kontrollen erschwert und zeitaufwendig macht.
Zukunft der Cannabis-Clubs ungewiss
Die bevorstehende Bundestagswahl am 23. Februar könnte Auswirkungen auf die Zukunft der Cannabis-Clubs haben. Die derzeit in Umfragen führende Union plant, die Cannabis-Legalisierung rückgängig zu machen, sollte sie die Regierung stellen.
Diese politische Unsicherheit stellt eine zusätzliche Herausforderung für die Betreiber der Cannabis-Clubs dar. Sie müssen nicht nur die aktuellen Regularien umsetzen, sondern auch mit der Möglichkeit rechnen, dass ihre Arbeit bald wieder illegal sein könnte.
Gesellschaftliche Relevanz und Potenzial
Trotz der Unsicherheiten sieht Bernstein in den Cannabis-Clubs eine wichtige gesellschaftliche Funktion. Er verweist auf Zahlen des Bundesgesundheitsministeriums, wonach im Jahr 2021 etwa 4,5 Millionen Erwachsene mindestens einmal Cannabis konsumiert haben.
„Wir als Verein haben immerhin die Möglichkeit, einen möglichst sicheren Konsum sicherzustellen, ohne dass Beimengungen im Produkt drin sind und ohne dass die Cannabis-Konsumenten nicht wissen, was für ein Wirkstoffgehalt drin ist. Sie wissen im Prinzip zumindest, was sie konsumieren“, erklärt Bernstein.
Diese Sichtweise unterstreicht das Potenzial der Cannabis-Clubs, nicht nur den Schwarzmarkt einzudämmen, sondern auch einen verantwortungsvolleren Umgang mit Cannabis in der Gesellschaft zu fördern.
Ausblick und Fazit
Die Einführung von Cannabis-Clubs in Sachsen-Anhalt markiert einen bedeutenden Wendepunkt im Umgang mit Cannabis in Deutschland. Sie bietet die Chance, den Konsum zu regulieren, die Qualität zu sichern und gleichzeitig Präventionsarbeit zu leisten.
Allerdings stehen die Clubs vor erheblichen Herausforderungen:
– Strenge behördliche Auflagen und Kontrollen
– Politische Unsicherheit durch mögliche Gesetzesänderungen
– Gesellschaftliche Akzeptanz und Integration in bestehende Strukturen
Bernstein plädiert für mehr Transparenz und Offenheit der Cannabis-Clubs gegenüber der Bevölkerung und den Behörden. „Ich denke, das ist die einzige Möglichkeit, wirklich eine Akzeptanz zu schaffen“, betont er.
Die kommenden Monate und Jahre werden zeigen, ob die Cannabis-Clubs ihr Potenzial entfalten können und ob sie tatsächlich zu einem sichereren und kontrollierteren Umgang mit Cannabis in der Gesellschaft beitragen. Unabhängig vom Ausgang der politischen Debatten haben die Phytofreunde in Dessau und andere Pioniere bereits einen wichtigen Schritt in Richtung einer neuen Cannabis-Politik in Deutschland gemacht.
Es bleibt abzuwarten, wie sich die Situation weiterentwickeln wird und ob die Cannabis-Clubs langfristig zu einer etablierten Institution in der deutschen Gesellschaft werden können. Die Erfahrungen und Erkenntnisse aus Sachsen-Anhalt werden dabei sicherlich eine wichtige Rolle spielen und könnten als Vorbild für andere Bundesländer dienen.
Quellen:
– MDR
– Landesamt für Verbraucherschutz Sachsen-Anhalt
– Gewerkschaft der Polizei Sachsen-Anhalt
Titelbild:
– AdobeStock